Elettra de Salvo
Fleisch wucherte rum
Hommage an Rolf Dieter Brinkmann
Eine Performance von Elettra de Salvo für E.d.S. Productions zu Rolf Dieter Brinkmanns "Rom, Blicke" und "Schnitte"
 
  "Ich habe keine andere Zeit als die Zeit, in der ich lebe, und da will ich wissen, in welchem Zustand ich lebe, in welchen Augenblicken, und was diese Augenblicke enthaltent" (aus Rom, Blicke)
Am 16. April 2000 wäre Rolf Dieter Brinkmann 60 Jahre alt geworden. 
Am 23. April vor 25 Jahren kam Brinkmann bei einem Autounfall in London ums Leben. 
Er hinterließ ein Werk, das in seiner Einmaligkeit, Komplexität und Dichte nach wie vor beeindruckt und fasziniert. 
Ausgehend von dieser Tatsache entstand das Bedürfnis Brinkmann mit dieser Performance zu würdigen.
Thematisch hat mich, als gebürtige Römerin, die seit genau 20 Jahren in Deutschland lebt, vor allem "Rom, Blicke" und die Material-Sammlung für seinen Band "Schnitte", in dem es auch größtenteils um die italienische Hauptstadt geht, gebannt. 
Als Stipendiat der Villa Massimo in Rom schrieb Brinkmann in den Jahren 1972/73 ein Brieftagebuch, das 1979 unter dem Titel "Rom, Blicke" posthum erschienen ist. 
Ungefähr zeitgleich entstand "Schnitte", eine Sammlung die ebenfalls Briefe- und Tagebuchnotizen, Lektüreauszüge, eigene Prosa, Postkartentexte und- abbildungen, eigene Fotos, Bildfetzen aus Zeitungen, Illustrierten und Comic-Heften, Fundstücke, Quittungen, Fahrkarten enthält.. Brinkmanns Blick, genau, kritisch, sezierend und ohne Tabus, betrachtet menschliches Leben im urbanen Raum, auch im urban heruntergewirtschafteten Raum am Beispiel der Metropole Rom. Es geht ihm um die wundersame Mischung von Sakralem und Profanem, von Eros und Tod, von Mythen und deren Umkehrung, von Alltagsbanalitäten, Klischees und "wahren" Sehnsüchten im römischen Leben, um das besonders auffallende Zusammentreffen von eklatanten Widersprüchen im sozialen und moralischen Gefüge der Ewigen Stadt.
Diese Beobachtungen, bestechend in ihrer Aktualität, sind Thema dieser Performance, die als Suche nach Lebens- und ÜberLebensstrategien in den großen europäischen Metropolen gedacht ist.
Dabei ist es uns besonders wichtig, der existentiellen Sichtweise des Autors gerecht zu werden.
Bild, Ton, Körper und Sprache - diese vier Elemente sind die Eckpunkte der Performance "Fleisch wucherte rum ..." und das nicht zuletzt deswegen, weil auch Rolf Dieter Brinkmann sich mit diesen Themenschwerpunkten auseinandersetzte, Grenzen und Extreme auslotete und dabei den für ihn zu engen Rahmen "Schreiben" sprengte. 
Wir wollen weder "theatral" sein, noch eine Lesung veranstalten oder einen Rolf Dieter Brinkmann-Altar bauen. 
Noch weniger wollen wir eine Reproduktion seiner Texte.
Wir wollen vielmehr eine Performance des Augen-Blicks schaffen und das "Schauen", das "Zu-Schauen" zu einer Aktivität machen und zwar inspiriert durch Brinkmanns Blick.
n diesem Sinne wollen wir dieses Projekt physisch erfahrbar machen, Diskussionen anregen und mit Brinkmannschen Blick "Blicke schärfen", um dort hinzuschaun, wo andere wegsehen.